Ein von der EU-Kommission erstellter Bericht gibt Aufschluss über die enorme Summe, die die EU in nur einem Jahr und das allein im Rahmen des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko den Sahrauis vorenthält.
Photo: @ElliLorz
Das höchste europäische Gericht hat wiederholt entschieden, dass die Westsahara von Marokko „gesondert und unterschiedlich“ ist und dass Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko in dem Gebiet nicht ohne die Zustimmung der Sahrauis angewendet werden können. Trotz der Urteile hat die EU die Abkommen in der Vergangenheit ohne diese Zustimmung fortgeführt, weswegen sie nun enggültig im letzten Grundsatzurteil vom 4. Oktober 2024 annulliert wurden.
Wie hoch ist nun der Wert der Waren, die die EU gemeinsam mit der Besatzungsmacht Marokko aus dem Gebiet geplündert hat? Ein schockierender Bericht, den die EU-Kommission im März 2024 veröffentlicht hat, gibt Aufschluss über diese drängende Frage.
Der Bericht überrascht nicht nur durch die enorme Menge an Reichtum, die dem sahrauischen Volk im Rahmen eindeutig illegaler Handelsabkommen entzogen wird, sondern auch durch den völligen Mangel an Sensibilität seitens der EU-Kommission in Bezug auf die Einhaltung früherer Urteile.
Das spezifische Ziel des Berichts, der auch als Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen bezeichnet wird, ist im Titel enthalten: „Bericht 2023 über die Auswirkungen und Vorteile der Ausweitung der Zollpräferenzen auf Waren mit Ursprung in der Westsahara für die Bevölkerung der Westsahara“.
Der Bericht - der hier eingesehen werden kann - ist ein bemerkenswerter Versuch, die Ausweitung des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko auf die Westsahara gegen den Willen des Volkes des Gebiets und unter Verstoß gegen einschlägige EU-Rechtsprechung zu rechtfertigen.
Wie viel wurde also illegal geplündert?
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass das Handelsabkommen direkte Auswirkungen auf den Landwirtschafts- und den Fischereisektor hat. Für das Jahr 2022 beläuft sich der Gesamtwert der Ausfuhren nach Europa in diesen beiden Sektoren auf erstaunliche 590 Millionen Euro - 504 Millionen Euro für Fischereierzeugnisse und 85,6 Millionen Euro für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Insgesamt handelt es sich dabei um 203.000 Tonnen an Waren (davon 129.200 Tonnen Fischereierzeugnisse und 74.000 Tonnen Tomaten und Melonen).
Diese Erzeugnisse wurden nicht direkt aus der Westsahara in die Union exportiert: Sie wurden verpackt und über Marokko selbst transportiert, bevor sie in die EU gelangten. Im Einzelnen:
Ein weiterer Effekt, der in dem Bericht als positiv hervorgehoben wird: „die Umsetzung des Abkommens im Jahr 2022 führte zu einer Einsparung von 44,4 Mio. EUR bei der Einfuhr von Erzeugnissen mit Ursprung in der Westsahara in die EU.“ Im Rahmen des Abkommens werden Agrar- und Fischereierzeugnisse aus der besetzten Westsahara zollfrei in die Union eingeführt. Wären Zölle anwendbar gewesen, hätte die Union im Jahr 2022 9,7 Millionen Euro an Zöllen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und 34,7 Millionen Euro für Fischereierzeugnisse eingenommen.
Die Kommission behauptet, dass das Abkommen direkt für 49.000 Arbeitsplätze in der Westsahara verantwortlich ist. Die Berechnung dieser Zahl ist bemerkenswert simpel: Da 85 % der landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Gebiets nach Europa exportiert werden, werden 85 % der Arbeitsplätze in diesem Sektor als direkte Folge des Abkommens betrachtet. Die gleiche Logik wird auf den Fischereisektor angewandt. Trotz eines kurzen Verweises auf „einige Organisationen der Zivilgesellschaft“, die auf den „ungleichen Zugang zu natürlichen Ressourcen, Arbeitsplätzen und anderen Gütern und Dienstleistungen“ hinweisen, und auf die „fast vollständige Befreiung von allen Formen der direkten oder indirekten Besteuerung für Personen und Unternehmen, die sich in dem Gebiet niedergelassen haben“, wird nicht darauf eingegangen, wer in dem Gebiet beschäftigt wird: Sahrauis oder marokkanische Siedler:innen?
Was ist sonst noch falsch an diesem Dokument? WSRW hat den Text geprüft.
Nachfolgend sind unsere sechs wichtigsten Ergebnisse aufgeführt.
Der Bericht enthält mehrere Seiten, auf denen „die Auswirkungen des Abkommens auf die Bevölkerung der Westsahara“ zusammengefasst werden. Dabei muss erwähnt werden, dass es einen Unterschied zwischen dem Begriff „Bevölkerung der Westsahara“ und dem „Volk der Westsahara“ gibt. Dies wurde von den EU-Gerichten mehrfach hervorgehoben, und nirgendwo so deutlich wie in dem Urteil vom 4. Oktober.
Die Bevölkerung des Hoheitsgebiets ohne Selbstregierung sind die Einwohner:innen, die sich gegenwärtig in dem Gebiet aufhalten, unabhängig davon, ob sie zum Volk des Gebiets gehören – das sind wiederum diejenigen, die das international anerkannte Recht auf Selbstbestimmung inne haben. Die Bevölkerung der Westsahara besteht heute mehrheitlich aus marokkanischen Siedler:innen, die aufgrund von Arbeitsmöglichkeiten und Steuerbefreiungen in das Gebiet gezogen sind (wie der Bericht der EU-Kommission erläutert). Das Volk der Westsahara hingegen ist heute eine Minderheit in ihrem Heimatland, viele leben in Geflüchtetencamps in Algerien oder haben anderswo Zuflucht gesucht. Die EU-Kommission hat sich beim Umgang mit der Westsahara immer auf die Bevölkerung und nicht auf das Volk bezogen, und das ist auch in diesem Bericht nicht anders.
Der Bericht stützt sich auf Daten, die von der marokkanischen Regierung über eine von ihr kontrollierte statistische Datenbank zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus wurden Informationen über die Umsetzung des Abkommens in der Westsahara im Rahmen des jährlichen Informationsaustauschs zwischen der EU und Marokko eingeholt.
Dies ist bezeichnend für die Herangehensweise der EU in Bezug auf die Westsahara: die EU interagiert ausschließlich mit Marokko, das laut UNO, Internationalem Gerichtshof und den eigenen Gerichten der EU keine Souveränität bzw. Verwaltungsmandat über das Gebiet hat.
Die von den Vereinten Nationen anerkannte Vertretung des Volkes der Westsahara, die Frente Polisario, ist in keiner Weise in die oben erwähnten formalisierten Kommunikationskanäle zur Auswertung des Handels mit der Westsahara einbezogen. Bestenfalls wird sie im Rahmen einer Konsultation von Interessengruppen eingeladen, wie es auch in diesem Bericht der Fall war. Die Polisario ist unter den „zahlreichen Einrichtungen und Organisationen der Zivilgesellschaft“ aufgeführt, die die Kommission im Hinblick auf die Erstellung dieses Berichts kontaktiert hat.
Western Sahara Resource Watch wird hier ebenfalls als „Stakeholder“ aufgeführt. Eine Fußnote ist aufgeführt, die sich auf unsere Weigerung bezieht, sich an dem zu beteiligen, was wir als einen Versuch ansehen, die unrechtmäßige Umsetzung eines Abkommens mit Marokko in der Westsahara zu legitimieren. Unsere Antwort auf die Einladung der Kommission vom Dezember 2023 finden Sie hier.
Die Polisario lehnte die Teilnahme aus demselben Grund ab, ebenso wie die sahrauische Menschenrechtsgruppe CODESA. Von den 17 aufgelisteten „Einrichtungen“ haben offenbar nur drei Informationen mit der Kommission ausgetauscht.
In dem Bericht heißt es weiter, dass die EU-Kommission vom 12. bis 14. Dezember 2023 einen technischen Besuch in El Aaiún und Dakhla durchgeführt hat, der „von den marokkanischen Behörden auf Ersuchen der Europäischen Kommission organisiert wurde“. „Während der Besuche in Laâyoune und Dakhla sprach die Europäische Kommission mit verschiedenen lokalen Akteuren, darunter Vertreter der marokkanischen Regierung in der Region, Vertreter des Regionalrats und des regionalen Investitionszentrums, Ingenieure, Landwirte und Geschäftsführer“, heißt es in dem Bericht. Der Besuch in der marokkanischen Hauptstadt Rabat beinhaltete Treffen mit marokkanischen Regierungsvertreter:innen.
3. In der Praxis gibt es keine Unterscheidung zwischen Marokko und der Westsahara
Als das Europäische Parlament eine geänderte Fassung des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko billigte, in der die Westsahara ausdrücklich in den Geltungsbereich des Abkommens aufgenommen wurde, obwohl das Volk des Gebiets dem nicht zugestimmt hatte, richtete das Parlament eine Forderung an die Kommission: Sie sollte dafür sorgen, dass ein Mechanismus eingerichtet wird, der den Zollbehörden der Union Zugang zu zuverlässigen Informationen über die in die EU eingeführten Waren mit Ursprung in der Westsahara verschafft. Darüber hinaus forderte das Parlament eine jährliche Bewertung der Konformität des Mechanismus mit dem EU-Zollrecht.
In der Praxis wird nicht zwischen den Gebieten von Marokko und der Westsahara unterschieden. Die Zollbehörden müssen sich auf die von der GD SANCO zur Verfügung gestellten Listen der zugelassenen Exportunternehmen stützen. Die Betriebe in der Westsahara, die in die EU exportieren, sind in den marokkanischen Listen aufgeführt - es gibt keine separaten Listen für die Westsahara. In den Listen gibt es keinen Hinweis darauf, welches Unternehmen in Marokko oder in der Westsahara ansässig sind - es wird nicht unterschieden.
Außerdem verlässt sich die EU-Kommission vollständig auf eine Online-Plattform, die von den marokkanischen Behörden im Jahr 2020 eingerichtet wurde. Die EU-Kommission und die Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten können auf dieser Plattform alle Lebensmittel abfragen, die unter das Abkommen zwischen der EU und Marokko fallen. WSRW konnte diese Datenbank nicht einsehen und kann daher nicht beurteilen, ob die marokkanische Datenbank tatsächlich Aufschluss über die Herkunft der Produkte gibt.
Es gibt Kontrollverfahren, die auf der Vorlage eines Ursprungsnachweises und auf der Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Zollbehörden des einführenden EU-Landes und den marokkanischen Zollbehörden beruhen.
Das Abkommen wird somit unter Verletzung der Prämisse des EU-Gerichtshofs durchgeführt, der in mittlerweile zehn Urteilen seit 2015 festgestellt hat, dass die Westsahara eine von Marokko gesondertes und unterschiedliches Gebiet ist, das auch als solches behandelt werden sollte.
4. Die Umweltauswirkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten werden kaum bewertet
„Die Europäische Kommission war nicht in der Lage, das Wasservolumen in den Grundwasserleitern zu bestimmen, das für Bewässerungszwecke genutzt werden kann“, heißt es in dem Bericht. Der Bericht räumt ein, dass die derzeitige Produktion von Nischenprodukten (Tomaten, Melonen, rote Früchte) in dem Gebiet viel Wasser verbraucht, das direkt aus den Grundwasserreserven entnommen wird. Er vertraut jedoch darauf, dass die „zuständigen marokkanischen Behörden“ dieses Problem überwachen.
In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass in dem Gebiet derzeit zwei Entsalzungsprojekte „im Rahmen eines nationalen Plans zur Versorgung des Gebiets der Westsahara mit Trinkwasser“ gebaut werden und dass nach dem Bau 75 % des entsalzten Wassers für die Schaffung von 13.000 zusätzlichen Hektar Ackerland verwendet werden sollen.
„Die Böden könnten durch die Abschwemmung von Düngemitteln und Pestiziden beeinträchtigt werden, die bei intensiver landwirtschaftlicher Produktion eingesetzt werden“, heißt es in dem Bericht, und weiter: “Der Europäischen Kommission liegen keine Informationen vor, die eine Bewertung der diesbezüglichen Situation in der Westsahara ermöglichen.“
5. Verstöße gegen die Genfer Konvention werden normalisiert
„Die Gewährung der im Abkommen vorgesehenen Zollpräferenzen ist auch ein indirekter Anreiz, in Entsalzungsanlagen zu investieren, um die Bewässerungskapazität und damit die Anbauflächen im Hinblick auf die Ausfuhren in die Union zu erhöhen“, heißt es in dem Bericht.
Marokko hat keine Souveränität über die Westsahara und ist auch nicht die Verwaltungsmacht des Gebiets. Marokko hat große Teile des Gebiets unter Missachtung der UNO und des Internationalen Gerichtshofs erobert und annektiert und hält seine Präsenz dort durch den Einsatz von Militär aufrecht. Marokko erlaubt der UNO nicht, ein Selbstbestimmungsreferendum zu organisieren. Marokko kann daher nur als Besatzungsmacht in der Westsahara angesehen werden. Nach der Vierten Genfer Konvention sind die Verlegung von Zivilpersonen einer Besatzungsmacht in das besetzte Gebiet sowie alle Maßnahmen, die eine solche Ansiedlung fördern, verboten. Dass Marokkos Siedlungspolitik in der Westsahara Verstöße gegen die Genfer Konventionen begründen, wurde in einem Bericht des Bundestages aus dem Jahr 2020 beschrieben. Bemerkenswert ist, dass genau diese Strategie, die Marokko in der Westsahara verfolgt, nun von der EU-Kommission gelobt wird.
In dem Bericht heißt es, dass Marokko dabei ist, zusätzlich zu den rund 1.000 Hektar, die derzeit genutzt werden, weitere 13.000 Hektar Land in Ackerland umzuwandeln. „Ziel der Projekte ist es, die derzeitige landwirtschaftliche Nutzfläche und das entsprechende Volumen der landwirtschaftlichen Produktion bis 2030 um eintausend Prozent zu erhöhen, wobei die Zahl der direkten Arbeitsplätze in diesem Sektor in der Größenordnung von 50 000 bis 100 000 steigen soll. Nach den vorliegenden Informationen würde dies auch Beschäftigungs- und Ansiedlungsmöglichkeiten für Migranten aus Ländern südlich der Sahara bieten, die das Gebiet durchqueren“, schreibt die EU-Kommission und fügt hinzu, dass sich auch die Logistikkette ‚mit der Schaffung des Atlantikhafens Dakhla und des Industrie- und Gewerbegebiets des Hafens von Laâyoune‘ weiterentwickeln würde.
Die aufblühende Aquakulturindustrie, über die WSRW Anfang des Jahres berichtete, wird als „Gegenstand von Ausschreibungen, auf die europäische Unternehmen reagieren“ beschrieben.
Auch die marokkanische Siedlungspolitik wird beschrieben. „Diese Gebiete sind sowohl für einheimische als auch für ausländische Investoren wirtschaftlich attraktiv, da sie nahezu steuerfrei sind. Während des Besuchs der Kommissionsdelegation bestätigten viele Gesprächspartner die Steuererleichterungen, die Haushalten und Unternehmen in dem betreffenden Gebiet gewährt werden: keine Mehrwertsteuer, keine Einkommenssteuer, keine Wohnungssteuer, keine Grundsteuer und keine Körperschaftssteuer für Unternehmen in der Westsahara. Diese vorteilhafte steuerliche Situation bietet Anreize für die Gründung neuer Unternehmen. Nach Angaben der CIDH bestehen diese Steuerbefreiungen seit 1975“.
Anstatt die Dinge beim Namen zu nennen - oder eine Besatzung eine Besatzung - bezeichnet die EU-Kommission die marokkanische Siedlungspolitik als „Maßnahmen [die] Teil der marokkanischen Politik der nachhaltigen Entwicklung in der Westsahara sind“.
„Für Wirtschaftsbeteiligte, die nicht zu diesen Sektoren gehören, scheint das Abkommen in Ermangelung anderer Kategorien von Erzeugnissen, die in die Union exportiert werden, eher einen indirekten Einfluss auf ihre Entscheidung zu haben, in der Westsahara zu investieren. Im Bereich der Meerwasserentsalzung und der erneuerbaren Energien werden derzeit bedeutende Infrastrukturprojekte durchgeführt. Diese lokalen Investitionen sollten zur wirtschaftlichen Entwicklung der Gebiete beitragen und ihre Attraktivität für lokale und internationale Investoren erhöhen und gleichzeitig die Entwicklung neuer industrieller Aktivitäten ermöglichen, die potenziell von dem Abkommen profitieren könnten“, heißt es in dem Bericht abschließend.
Ähnliche Aussagen über die Ukraine sind nicht denkbar.
6. EU verschließt die Augen vor der Menschenrechtslage
Jahr für Jahr landet die Westsahara auf den hintersten Plätzen der Rangliste der Länder und Gebiete, wenn es um politische Rechte und bürgerliche Freiheiten geht. Das Gebiet wird von angesehenen Menschenrechtsorganisationen als schwarzer Fleck in Sachen Menschenrechte betrachtet. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte beklagte 2023, dass es acht Jahre her sei, seit Marokko seinem Büro zuletzt Zugang zu dem Gebiet gewährt habe.
Trotz dieses Kontextes kommt die EU-Kommission zu dem Schluss, dass die Ausweitung des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko auf die Westsahara zur Menschenrechtslage beigetragen hat. Insbesondere habe das Abkommen zur Normalisierung und Wiederbelebung der Beziehungen zwischen der EU und Marokko und damit zur Aufrechterhaltung des Dialogs und der konstruktiven Zusammenarbeit beim Schutz der Menschenrechte beigetragen, die andernfalls hätte beeinträchtigt oder gefährdet werden können.
Die Kommission erklärt, sie verfolge die Menschenrechtslage in der Westsahara hauptsächlich über Marokko. „Marokko betrachtet die Westsahara als integralen Bestandteil seines Territoriums, auch im Hinblick auf die Menschenrechtspolitik des Landes. Infolgedessen und unbeschadet der eigenen Position der EU in Bezug auf die Westsahara wird die Menschenrechtslage in der Westsahara seit jeher von der EU gemäß dem institutionellen Rahmen für die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Marokko überwacht“. Im Rahmen des Assoziierungsabkommens haben die beiden Partner einen Unterausschuss für Menschenrechte, Demokratisierung und Staatsführung eingerichtet, in dem die Lage in der Westsahara angeblich erörtert wird.
Dabei wird offenbar nicht berücksichtigt, dass Marokko möglicherweise kein legitimer oder ehrlicher Gesprächspartner in der Frage der Menschenrechte in dem von ihm militärisch besetzten Gebiet ist.
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, bringt die EU-Kommission ihre Besorgnis über das „anhaltende Leiden der sahrauischen Geflüchteten und ihre Abhängigkeit von externer humanitärer Hilfe“ zum Ausdruck, während sie gleichzeitig betont, dass sie sich zur Bereitstellung humanitärer Hilfe verpflichtet und die Geber zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel auffordert.
Im Jahr 2023 hat die EU 9 Millionen Euro für die sahrauischen Geflüchteten bereitgestellt. Im selben Jahr hat sie im Rahmen des Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko 42,4 Millionen Euro an Marokko gezahlt, das die Sahrauis aus ihrem Land und in die Flucht getrieben hat. Nicht weniger als 99 % der im Rahmen dieses Abkommens getätigten Fänge wurden in der Westsahara getätigt. Der Kontrast zum Wert der Anwendung des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko in der Westsahara - 590 Millionen Euro im Jahr 2022 - ist noch grotesker.
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WSRW hat die wichtigsten Ergebnisse des wegweisenden Urteils des EU-Gerichtshofs zur Westsahara vom 4. Oktober 2024 zusammengefasst.
Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, in drei Parlamentsausschüssen Debatten über den Ausschluss der Westsahara aus den Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko zu führen.
Heute Morgen hat der Europäische Gerichtshof ein wegweisendes Urteil gefällt. “Dieses Urteil ist ein bedeutender Sieg für das Volk der Westsahara. In einer Zeit, in der das Völkerrecht unter Druck steht, ist es von grundlegender Bedeutung, dass die EU ihrem eigenen Gericht folgt und die Kollaboration mit der Besatzungsmacht durch illegale Handelsabkommen beendet.”, kommentiert WSRW.
In einem weiteren Urteil vom 4. Oktober 2024 entschied der EU-Gerichtshof, dass Produkte aus der Westsahara auf dem EU-Markt nicht als "aus Marokko" gekennzeichnet werden dürfen.